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Was ist Wahrheit

Die Einbildungskraft

Vom Erkennen zum Wissen

Alle Geschehnisse und Dinge sind verschränkt in vielfältigen Strukturen und Systemen. Erkennen des Systems ohne ausreichendes Wissen um die Einzeldinge erschöpft sich schnell und Wissen, welches nicht vom System her verstanden wird, ist daher in seiner Anwendung begrenzt. Wissen geht in die Menge – aber Verstehen in die Tiefe. Außerdem ist der Mensch – ob er erkennt oder nicht – stets ein Teil des Geschehens; seine Sicht ist deshalb beschränkt. Es braucht die Metaebene (System) als übergeordneten Überblick mit ständiger Rückkopplung zum Wissen (Einzeldinge). Denn wie profiliert sich die Gegenständlichkeit der Welt in engster Wechselbeziehung mit dem Ich-Bewusstsein? Erkenntnis muss auch in ihren besonderen Gebilden durchweg durch das Seiende und seine Prozesse bestimmt sein.

Erkenntnis – jede Erkenntnis benötigt ihre Substanz: ob im Gedanken, ob Ideengehalt, ob im Mythos oder Logos, usw. Zusammengefasster Prozess: In eigener Wahrnehmung bleibt es zunächst Subjektivierung von Umwelt und in Mitwahrnehmung und Rückführung versuchte Objektivierung der Innenwelt (Regelkreis) des Menschen. Doch seine Subjektgebundenheit und die aller anderen menschlichen Wesen ist nicht auflösbar. Die reflektierende Urteilskraft bleibt privat. Deshalb ist das Fürwahrhalten innerer Anschauung  mittels „äußerer Restwelt“ abzugleichen. Es gibt keine absolute Wahrheit.

Im Sinn von Wahrheit ist noch auf einen populären Irrtum hinzuweisen. Vorzüglich in verbalen Äußerungen gleich welchen Anlasses oder Form wird der Begriff Faktum … das ist faktisch … für Wahrheit verwendet. Damit wird gern der Inhalt einer Aussage verbal aufgewertet oder sozusagen geadelt. Faktisch/Faktum ist lediglich eine unabänderliche Tatsache, ein Ereignis, welche man – auf welche Weise auch immer –  gleichwohl beweisen muss.    

 

Wahrheitstheorien

Zu einer „verallgemeinerungsfähigen“ Wahrheit zu kommen ist so alt wie die Geschichte des Menschen selbst.

Haben wir uns von Raum/Zeit, über die Wahrnehmung zum Erkennen und Wissen bis hin zur Selbstgewissheit – Wahrhaftigkeit durchgearbeitet, so bleibt das Dilemma einer vorläufigen  Annahmenhaftigkeit von Wahrheit. Über alle Zeit und Zeiten ist die Geschichte der Wahrheitsfindung  skeptisch begleitet worden, wie auszugsweise nachfolgende Aussagen wiedergeben.    

Korrespondenztheorie (Vorsokratisch) / 600 bis 350 v.u.Z.

  • Wahrheit als Übereinstimmung von Denken und sein.

 Evidenztheorie (Descartes / Hume) / 16. bis 17. Jhd.

  • Wahr ist, was ich klar und deutlich einsehe.

Auch diese Definitionen weisen aus, dass der Mensch in seiner Praxis notwendigen gesellschaftlichen Austausches stets nach Wahrheit suchte. Doch es blieb bei diesen geschichtlich monistisch-intuitiv begründeten Ableitungen. Es sind Interpretationen aus rein subjektivem Zustand des Verstehens. Sie reflektieren lediglich Bewusstseinszustände im Reich persönlicher Gewissheiten von nur produzierter Wahrscheinlichkeit. Doch subjektive Erfahrungen sind zwar Mittel und Zweck, doch bleibt, jenseits einer allgemeingültiger Weltgewinnung von Wahrheit, die Wahrheitsdefinition nur Ausdruck seines inneren Zustands im Bannkreis seines Bewusstseins. Doch weiterhin verlangt das objektive Verständnis von äußerer Welt kommunikative Bestätigung. So definiert sich hierfür unsere zeitgemäße und allgemeingültige  

Konsenstheorie

Es gibt keine objektive Wahrheit. Sie muss abgeklärt werden. Also eine Übereinstimmungstheorie unter mehreren Subjekten:

 Wahrheit ist das, auf was sich eine Gruppe, unter Einhaltung klarer Gesprächsprinzipien, gerade noch einigen kann.

Damit hat die Wahrheit zumindest jetzt Methode in einem planmäßig und folgerichtigen Verfahren. Sie mündet in ein organisiert geführtes Gespräch wie:

Rede und Gegenrede als fortgesetzter Austausch.

Offener Prozess des Mit- und Wechseldenkens.

Jede Stufe des Verstehens treibt die Idee zum vorläufigen Resultat.

Dabei wird ihr Potenzial freigelegt oder verworfen.

Spätestens bei komplexen Problemen führt welt- und kontextoffener Diskurs stets zum besten Bewährungsgrad.

Doch wer sich für die Wahrheit interessiert, muss sich auch für die Falschheit interessieren, denn die Falschheit einer Aussage entdecken heißt, die Wahrheit der Negation entdeckt zu haben. Hier vermag das Verwerfen einer Idee auch wertschöpfend sein, da leichter/früher zu enttarnen – was späterhin unerkannt Verschwendung wäre. Denn Absondern des Nichtzutreffenden (Auslese des Auf-keinen-Fall richtig) ist Genese sich ausprofilierender Wahrheit. Die sogenannte

 – deduktive Methode:

Größter Informationsgehalt und Erklärungskraft liegen in der Unwahrscheinlichkeit und ist als „Unsinn“ relativ schnell zu entlarven – also flott in den Müll damit und – verwirklichbare Möglichkeiten bleiben als Wertstoff zurück.

Da absolute Wahrheitsfindung sich jeder menschlichen Fixierung verweigert, damit kämpft selbst die Rechtsfindung und Gerichtsbarkeit. Um im abschließenden Urteil zumindest größtmögliche Wahrheit zum Vergehen und begangener  Tat herauszufinden finden, darum bemühen sich Ankläger, Verteidiger, Richter im geordnetem Gespräch, um zumindest mit ihren diskursiv formulierten Argumenten zur maximal möglichen Wahrheitsfindung zu gelangen. Und selbst jede Richterin oder Richter, welche eine vertretbare Begründung finden müssen, können keine Gewähr für die erkenntnistheoretische Richtigkeit des resultierenden Ergebnisses bieten. Das abschließende Urteil bleibt diskursives Produkt zwischen Ankläger-Verteidiger und Rechtsprechung. Das zutreffende Sichdarstellen der Geschehnisstruktur zum abschließenden  Urteil ist auch hier lediglich ein Substrat diverser Wahrheitsfindung und kann kein Resultat absoluter Wahrheit sein.

Da, wie oben erwähnt, angebliche Wahrheitsfindung der Rechtsprechung eine relative Verortung ist, trifft jedes Urteil den Delinquenten aber doch absolut. Um dieses „labile“ Moment fehlgehender absolut juristischer Wahrheitsfindung zu stabilisieren, wurde die Bewährungsstrafe eingeführt. Mit dem  Urteil … – auf Bewährung – … setzt die Justiz dem Kantischen Imperativ den hypothetischen Imperativ – Wenn du dich bewährts, dann kannst du in die sittlich-moralische Lage zurückfinden – entgegen.

                                   Wer Wahrheit deklariert, muss sie beweisen.

 

                                        Ingo R. H. Treuner  / www.ingotreuner.com

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