Qualität und Wirkung
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- 8. November 2025
- Ingo Treuner
Vertraute Begriffe, doch zwei grundverschiedene Wesenheiten
Das etwas eine Qualität besitze oder ihr nicht genüge, erscheint uns als alltäglich. Doch das Wort Qualität ist nur ein vorläufiger Oberbegriff für eine Menge vorliegender Eigenschaften eines materialen, mentalen oder psychischen Produkts und darin nicht mehr als eine nicht geöffnete Botschaft im stillem Wert. Erst in dessen Gebrauche, in vollendeter Funktion und vollem Nutzen kommt sie ins Leben und Beurteilung. Denn Qualität funktioniert nur dann, wenn sie sich in Wirkung wandelt – Qualität auch Wirkung wird bzw. sich in dieser aufgibt. Das ist erst der Hintergrund ihres „wirklichen“ Seins. Dies gilt nicht nur für Produkte, sondern auch für Menschen. Nicht das Sagen oder Denken definiert uns, sondern das, was wir tun. Denken und Sagen sind nur argumentativ gesetzte Qualität, doch nur das reine Tun bringt erst vorhandene Qualität zur erfahrbaren Wirkung. Am Naturprodukt Mensch wird dies besonders deutlich.
Aus vielerlei individuellen wie sozialen Bedürfnissen kann der Mensch nicht allein leben. Diese zu befriedigen kann man als normalen und ständig laufenden Reparaturaufwand in Nachfrage eigenen Aufwandes und mittels Konsum und Markt befriedigen. Bedarf es zusätzlich fremdgeführter Pflegeleistungen wie Hilfestellungen aller Art und sozialer Bedürfnisse, sowie ärztlichen Leistungen und allgemeiner Lebenshilfe dazu, so definiert sich hier eine besondere „Qualität“ des Wiedergutmachens. Doch kann man beispielhaft in diesem Markt von Qualität sprechen? Nein! Denn hier handelt es sich um die beste und umfassende Betreuung des Pflegebedürftigen oder des Kranken im unmittelbaren Wirken und Bewirken in helfender Handlung an Leib und Leben derselben. Doch die, in diesem Beruf erbrachte Leistung und der damit erschienene Mehrwert ist als gute oder schlechte Qualität nicht direkt messbar.
Doch aktuell wird mittels – Text, Ton und Bild – auch in den Bereichen von Heil- und Pflegeberufen – in deren Beurteilung von Qualität gesprochen. Vor allem in den beliebten Website – geführten und vergleichenden Rezeptionen – wird vornehmlich mit dem Begriff Qualität operiert. Doch dies ist eine pseudosouveräne Rhetorik der Worte oder deutlicher – von Begriffsmagie in oberflächlicher Bedeutsamkeit und jenseits von gesuchter Wahrheit der Worte. Warum?
Nehmen wir beispielhaft die Pflege. Sie ist zwar Leistung, aber kein Produkt. Hier kommt es, alles andere ausschließend, auf deren Wirkung an. Pflege ist, was sich einerseits fachlich gründet und andererseits pflegesympathisch sich entäußert im Wesen und Arbeit ihres Tuns. Und dies ist weit fern üblich gegründetem Begriff von Qualität. Würde man hier von Fehlfunktion und ermangeln sprechen, gehe das am sozialen Leistungsprinzip von Pflegerinnen und Pflegern völlig vorbei. Stets ist gefordert hier die Praxis, die auf die einzigartige Situation des zu Pflegenden eingehen muss. In diesem Beruf ist Mitmenschlichkeit eine besondere zwischenmenschliche Bewegung, die nur rein atmosphärisch zu erfassen ist. Das ist Wesen und Wirken ihres Tuns. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass Qualitätsaussagen – allgemein wie auch hier – nicht zutreffen können.
Aktualität in ihrem Funktionsmerkmal zu bewerten, muss sich erst im Freiheitsgrad ihres Tuns verwirklichen; ihre Wirkung entfalten. Beispielhaft wird deutlich, dass alle Qualität – jede Qualitätsaussage lediglich etwas verspricht – ein Versprechen ist. Das gilt für alle Produkte wie für alle menschlichen Hervorbringungen. Ebenso für die Allgemeinbegriffe Potential oder Potenz. Immer kommt es auf die Wirkung an. Nur diese muss man beschreiben, um zu bewerten. Eine Qualität Haben – aber Wirkung Sein.
Ingo R. H. Treuner
11/2025